Presse – Titus Andronicus

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Shakespeare ist ein Spiegel durch die Zeiten, unsere Hoffnung eine Welt, die er nicht mehr reflektiert: “Wir sind bei uns nicht angekommen, solange Shakespeare unsere Stücke schreibt.” Das ist ein Heiner-Müller-Zitat und ganz so ähnlich, wie er es geschrieben hat, so heißt es auch am Ende dieses Stückes gestern, das Jan Philipp Stange inszeniert hat und von dem ich, abgesehen von ein paar Längen, wirklich fasziniert war. Das fing schon gleich mit dem Bühnenbild an. Als Sog in der Tiefe stand dort gleich, sobald man den Raum betreten hat, ein großer, leicht geöffneter und blutroter Mund, der genauso gut ein Höllenschlund hätte sein können. Ebenso wird sich mir ein weiterer Aspekt lange einprägen, weil es wirklich von so einer Art grausam-surrealer Schönheit war. Das hat mich auch ein bisschen an den Maler Paul Delvaux erinnert: Nach der Vergewaltigung und Verstümmelung Lavinias sieht man die Geschundene vorne am Bühnenrand stehen, von der Rückansicht, und weiter in der Tiefe des Raums, also bis kurz vor dem nun wirklich blutig leuchtenden Mund steht das, was wir als Überbleibsel einer großen Kultur kennen, nämlich römische Statuen mit abgeschlagenen Armen. Das kriegt dann eine ganz andere Bedeutung, da ist dann viel mehr drin als das, was man eigentlich glaubt zu sehen: Da stehen dann nämlich Grausamkeit und Schönheit, Grausamkeit und Zivilisation ganz dicht beieinander.



Das Bühnenbild löste die Anfangsfaszination bei mir aus. Packend fand ich auch viele Stellen der Darstellung. Zum Beispiel gerade bei der Lavinia-Darstellung, da gibt es eine ganz starke Szene (...), das hat eine unglaubliche Intensität. Was ich darüber hinaus angenehm irritierend fand, dass Lavinia ihre Texte auf Englisch gesprochen hat. Ich war begeistert vom Können dieser jungen Künstler, die ja noch nicht so viel Erfahrung haben wie gestandene ältere Theaterschauspieler, sei es nun Titus, sein Bruder Markus, die Gotenkönigin, ihre Söhne: Diese Ausdrucks-, Tanz-, Sprech- und Interpretationsfähigkeit fand ich bemerkenswert.”
(Birgit Spielmann, HR2 vom 24.10.2014)

Titus Andronicus, 2014 studioNAXOS Frankfurt

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Eine unglaubliche Intensität — ich war begeistert!

(HR Frühkritik)

Wenn er die Augen schließt, sieht er die Stadt.
Die Steppe blickt aus ihm, wenn er sie aufschlägt.

Das große Rom, Wiege unserer Welt: Titus Andronicus kehrt vom Krieg gegen die fremden Goten zurück. Die Gefangenen werden verfüttert an die Zivilisationsmaschine Rom, denn das Reich, gebaut auf den Toten, soll fortbestehen. Doch die Goten wollen so einfach nicht untergehen. Über Shakespeares brutalster aller Rachetragödien thront als ‚unheilbare Wunde’ Lavinia, die vergewaltigte Tochter von Titus, ihre Zunge und Arme abgeschnitten. Sie ist die doppelt Entmündigte, die Rom ins Nichts weist.

Mit Shakespeares Groteske – weithin bekannt als sein schlechtestes Stück – und Heiner Müllers ANATOMIE TITUS wagen wir einen Blick auf das grausame Fundament unserer Zivilisation. Ist jeder Akt der Kultur auch immer einer der Barbarei? An der Schwelle zwischen Tanz und Theater, Wachen und Traum, Mensch und Tier blicken uns Glasaugen an, die vielleicht unsere eigenen sind.

Premiere am 23. Oktober 2014 im studioNAXOS Frankfurt, weitere Vorstellungen am 24. und 25. Oktober 2014

Schauspiel: Johanna Franke, Lili Ullrich, Oliver Lau; Tanz: Orla McCarthy, Finn Lakeberg, Max Schumacher; Musik: Carlo Eisenmann, Jakob Fritz; Regie: Jan Philipp Stange; Bühne: Laura Robert; Dramaturgie: Björn Fischer; Komposition: Richard Millig; Kostüm: Juliana Cuellar Parra; Ausstattung: Anja Schäfer, Wiebke Schmitt; Organisatorische Mitarbeit Regie: Baris Akman

Titus Andronicus Titus Andronicus
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