All in All, 2017 Mousonturm Frankfurt
schließenSkurril und lustig.(FAZ)
All in All ist ein performativer Spacewalk. Drei Darsteller laden die Besucherinnen ein, mit ihnen in der riesigen, leeren Halle des Frankfurt Lab bei weitestgehender Dunkelheit eine Stunde lang im Kreis um eine leuchtende Scheibe zu laufen. Den Zuschauerinnen steht frei, auf ihren Umlaufbahnen die Fall- und Fliehkräfte von Himmelskörpern am eigenen Leib nachzuempfinden oder die Inszenierung von außen zu beobachten. Der Musiker Jacob Bussmann hängt über der Scheibe in drei Metern Höhe von der Decke und begleitet den Spaziergang mit Liedern und Klangmaterial u.a. aus der Golden Record, eines Datenträgers aus den 1970ern, der mit den Voyager-Missionen ins All geschossen wurde um möglichen, nichtmenschlichen Zivilisationen ein Best-Of menschlicher Bilder, Sounds und Musik zu übergeben.
Diese Geste des „Ist da jemand?“ übernehmen die beiden Performer, die — sich immer wieder ihrer wechselseitigen Anwesenheit versichernd — ein lückenhaftes Gespräch führen. Dieses orientiert sich an der Entstehung und dem Ende des Universums sowie dem Phänomen der Gravitationskraft. In der anhaltenden Dunkelheit gerät es schließlich zu einer Art subtilem Bettgeflüster des Halbwissens, das auch Ängste, Ungenauigkeiten und Vertrautheiten einschließt. So wird das unfassliche Weltall, das in seiner Expansion die Außengrenzen des Vorstellbaren immer weiter auseinander schiebt und dadurch den Zusammenhang der Materie langsam aufhebt, zum Sinnbild der Gemeinschaft dieses Abends. Der menschliche Blick zu den Sternen und in das sich ausdehnende Weltall trifft hier auf die Erfahrung des Auseinanderdriftens, des Verlorenseins und des Fallens. Dabei wird möglicherweise deutlich, dass es den einen menschlichen Blick nicht geben kann. Und so steht und fällt All in All mit seinen Teilnehmerinnen und deren singulärer Perspektiven und Verhaltensweisen, die nicht weniger mysteriös erscheinen als das große Ganze. Am Ende des Stücks holen die beiden Performer den Musiker mit einer Leiter vom Himmel zurück auf den Theaterboden, während viele tausend kleine Lichter im Dach der Halle zu leuchten beginnen.
Premiere am 19.12.2017 im Mousonturm Frankfurt. Weitere Vorstellungen am 20.12. und 21.12.2017 sowie am 06.12.2018.
"All in All" ist zum Made-Festival als Publikumspreisträger eingeladen.
von Nir Shauloff und Jan Philipp Stange, Musik: Jacob Bussmann, Licht: Simon Möllendorf, Kostüme: Maylin Habig, Dramaturgie: Annegret Schlegel, Produktion: Carmen Salinas, Organisatorische Mitarbeit Regie: Alex Mentzel | Fotos von Irina Ximena Perez Berrio
Mit freundlicher Unterstützung vom Mousonturm Frankfurt, der Gessnerallee Zürich, der Willy-Pitzer-Stiftung, der NASPA-Stiftung, der HTA, studioNAXOS und dem Kulturamt der Stadt Frankfurt.