Presse – Artist Talk

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FAZ, 19.07.2021: Virtuelles Theater im Frachtcontainer - Das Studio Naxos lädt mit "Artist Talk" zur intimen Begegnung mit einem digitalen Avatar

Ob Livestream oder interaktive Netz-Performance: In Zeiten, in denen die Theater geschlossen bleiben mussten, haben die darstellenden Künste einige andere Sendekanäle erprobt, um dennoch weiterhin das Publikum erreichen zu können. Neuland sind die genutzten digitalen Medien dabei nicht unbedingt, schließlich wird seit jeher auf der Bühne integriert, was die Medientechnik an Neuem zu bieten hat, und die Grenzen zwischen den Künsten verschwimmen schon lange. Gerade in der freien Theaterszene positionieren sich viele Künstlerinnen und Künstler an den Schnittstellen, einige auch an der zur digitalen Kunst. Trotzdem dürfte die Ausgangssituation in den vergangenen Monaten eine andere gewesen sein, denn gesucht war oftmals schlicht eine andere Bühne für das Theater.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Theater wieder geöffnet sind, zeigen Jakob Engel, Jan Philipp Stange und ihr Team nun im Studio Naxos mit "Artist Talk" im Rahmen der dort stattfindenden "Sumpffestspiele" eine Arbeit, die mit solch einer anderen Bühne experimentiert und die Grenzen zwischen theatraler Livesituation und digitalem Raum auslotet. In einem Frachtcontainer hinter der Frankfurter Naxoshalle werden die Besucher eingeladen, in einem Sessel Platz zu nehmen und eine VR-Brille aufzusetzen. Angekündigt ist "Artist Talk" als 1:1-Performance und kann entsprechend immer nur von einer Person besucht werden. Das Gegenüber tritt mit dem Aufsetzen der VR-Brille in Erscheinung: In der virtuellen Umgebung sitzt dem Besucher ein digitaler, menschlich gestalteter Avatar in einem Sessel gegenüber und begrüßt den Gast. Man befindet sich in einem Wohnhaus, einer Villa im Stil Ludwig Mies van der Rohes. Umhergehen kann man in dem virtuellen Raum nicht, aber die VR-Brille erlaubt es, sich nach allen Richtungen hin umzusehen.

Viel Zeit, den Raum zu betrachten, bleibt zunächst nicht, denn der Avatar lenkt die Aufmerksamkeit auf sich, beginnt ein Gespräch, stellt sich vor und lädt auch den Gast ein, sich vorzustellen. Schnell erfährt man, dass das virtuelle Gegenüber Judith heißt, Künstlerin ist und angeblich das luxuriöse Haus, in dem man sich befindet, kürzlich erworben hat. Der Blick fällt auf die Umzugskisten, die noch herumstehen. Dem Avatar scheint dieser Blick aufzufallen, und so erwähnt sie, dass sie noch nicht dazu gekommen ist, alles auszupacken. Besonders diese ersten Minuten des Gesprächs sind irritierend und faszinierend zugleich. Wie kann das Gegenüber den Blick auf die Kisten sehen? Mit wem spricht man? Wird der Avatar von einer realen Person gesteuert und wenn ja, wo sitzt sie? Oder handelt es sich um eine Aufzeichnung oder um einen Computer, der mit einem spricht? Relativ bald wird klar, dass eine richtige Konversation möglich ist, dass irgendwo ein Körper sein muss, der den Avatar live steuert, wie die Gesten der Hände, die zum Gesprochenen passen.

Ein Ziel scheint das Gespräch mit Performerin Judith Altmeyer, die diese Rolle innehat, jedoch nicht zu haben. Auch wenn sie es manchmal in eine bestimmte Richtung lenkt, bleibt die Konversation auf der Ebene des charmanten Small Talks. Aber was gesagt wird, ist auch nicht entscheidend. Gerahmt als theatrale Situation wirft die Performance vor allem Fragen in dieser Hinsicht auf, stellt die Frage, was hier als Bühne verstanden werden kann, wo die Körper zu verorten sind und wo die Grenzen zwischen virtueller und realer Umgebung, zwischen Fiktion und Wirklichkeit verlaufen. Dadurch gelingt es der Arbeit zu faszinieren. Nicht für die Möglichkeiten der VR-Technik, sondern für die Grundfragen des Theaters. (David Ritterhaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.07.2021)

HR2, 21.07.2021 (Frühkritik)

Moderation:
Artist Talk, Virtual Reality Performance: Was hielt diese virtuelle Realität für die Besucher parat?

Mario Scalla:
Da ging es in einen Container, der hinter der Halle aufgebaut war, da wurde eine VR-Brille aufgesetzt und in der dunklen Kammer erschien ein sehr geschmackvoll ausgestatteter Raum. Gegenüber saß dann irgendwann dieser Avatar, also eine virtuelle Figur, die sich mir als Judith vorstellte. Dann begann ein Gespräch. Das ging eine halbe Stunde, eine sehr kurzweilige halbe Stunde. Da gab es das Entweder-Oder-Spiel, also “Meer oder Berge”, “lieber Bahn oder die Flugreise” und anderes mehr und irgendwann öffneten sich die Jalousien innerhalb des virtuellen Raums in dieser VR-Brille und da gab es einen Blick auf ein herrlich romantisches Waldgebiet. Also in der Hütte würde man gerne mal Urlaub machen - geschmackvoll hing ein Caravaggio an der Wand, ein Holzscheit lag im Kamin und es gab ein gepflegtes nettes Geplauder mit einem Avatar.

Moderation: Und Mario Scalla, wie ist denn Ihr Resümee? Hat sich das Geplauder mit diesem mit dem Avatar gelohnt? Ist er als ernstzunehmender Gesprächspartner, als Gesprächspartnerin aufgetreten?

Mario Scalla: Das war die Frage in diese halbe Stunde, die man da saß: Kann der Avatar die Gesprächsprobe bestehen? Ich habe einige Mal versucht ihn reinzulegen, also statt auf Fragen zu antworten selber welche zu stellen oder auch möglichst überraschende zu stellen denn da war ja der Verdacht, dass ich mit einer programmierten Software spreche. Da wollte ich etwas fragen, auf das sie dann nicht programmiert war. Denn es war ja unklar: Steckt hinter dieser im Sessel mir gegenüber sitzenden Person nun ein Programm oder vielleicht tatsächlich noch irgendwo eine reale Person? Das war ein etwas unsichere Situation, denn mit einer Person ist ja ein persönliches Gespräch und mit dem Avatar ist es unernst, es ist ein Schlagabtausch - so kommunikatives Niemandsland eigentlich auf - und dann kehrte sich der Effekt um: Irgendwann habe ich mich selber beobachtet und die eigene Gesprächsstrategien gegenüber jemandem, den man ja nicht richtig einschätzen kann. Hinterher wurde das dann aufgelöst und dann entwickelte sich aus dieser Performance, deren Teil man gewesen war, dann eine sehr produktive und anregende Irritation.

Moderation: Mario, letzte Frage: Lohnt sich der Abend?

Mario Scalla: Auf jeden Fall lohnt sich der Abend, also eine eindeutige Empfehlung.

Artist Talk, 2021, Virtual Reality 1:1 Performance

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Faszinierend: Stellt die Frage, was hier als Bühne verstanden werden kann, wo die Körper zu verorten sind und wo die Grenzen zwischen virtueller und realer Umgebung, zwischen Fiktion und Wirklichkeit verlaufen.

(FAZ)

Glucksende Frösche, zirpende Grillen: In ARTIST TALK treffen Sie in einer virtuellen Landschaft auf einen menschlichen Avatar. Wie geht eigentlich Unterhaltung? Plappern, schwätzen, babbeln, schweigen: das Eigentliche bleibt ein Mysterium. Was kann man teilen, wenn das Gegenüber nicht aus Fleisch und Blut ist? In der 1:1-Performance ARTIST TALK, die immer individuell verläuft und vertraulich bleibt, entsteht mit Ihnen ein persönliches Tête-à-Tête zwischen Mensch und Avatar.

150 1:1-Vorstellungen zwischen dem und dem 17.7. und dem 5.9.2021 sowie 80 Aufführungen zwischen dem 8.10. und 21.10.2022 an der Schwankhalle Bremen

Performance: Judith Altmeyer, Regie/Bühne: Jakob Engel und Jan Philipp Stange, Digital Artist: Gloria Schulz, Sound: Laila Gerhardt, Dramaturgie: Philipp Scholtysik, Bühnenplanung und -bau: Marcus Morgenstern und Jesko Haschke, Motion Capture: Laila Gerhardt, Organisatorische Mitarbeit Regie: Pia Louise Jahn, Vermittlung: Janine Bürkli, Sara Gröning, Barbara Luchner, Ines Wuttke, Produktionsleitung: Alessia Neumann, Mitarbeit Produktion: Janine Bürkli, Sara Gröning, Barbara Luchner, Presse: Dörthe Krohn, Fotos: Camilo Brau, Interne Weiterbildung: Dr. Jessica Lütgens, Dr. Julia Schneider, Isabelle Zinsmaier. Vielen Dank an room fox für die Nutzung der Räumlichkeiten.

Eine Produktion von Stange Produktionen in Zusammenarbeit mit studioNAXOS, mit freundlicher Unterstützung des Kulturamts der Stadt Frankfurt, des Kulturfonds Frankfurt RheinMain sowie des Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien für das anhängige Vermittlungsprogramm “Be my Guest”. Gesponsert von Manus™. Stange Produktionen wird vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main institutionell sowie vom Fonds Darstellende Künste mehrjährig gefördert.

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