Presse – Szenario

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Nachtkritik vom 7.6.2023

"Szenario" von Jan Philipp Stange

"Wie erfüllend ist Arbeit? Wie wird das Individuum entlohnt? Mit feiner Ironie bringt die Oper "Szenario" eine Reflexion über die Verwertung des Menschen im Neoliberalismus auf die Bühne – und ist dabei mindestens so schön anzusehen wie ein Weihnachtsmärchen.

Leidenschaftliche Selbstausbeutung gibt es mittlerweile überall. Aber die Künstlerinnen haben damit angefangen. Aus ihrem Traum, sich mit der eigenen Arbeit identifizieren zu können, hat der Kapitalismus das Bild vom Erwerbsarbeiter als Einzelkämpfer gestrickt, der unternehmerische Risiken ganz allein trägt. Inklusive der Existenzangst, die das mit sich bringt. – Das ist eine der Thesen von "Szenario", die die Darsteller*innen singend vortragen.

Trotzdem bleibt eine Entfremdung zwischen der Kunst und anderen Arbeitswelten: "Ich weiß es nicht, stellen heute noch Menschen Schrauben her?", fragt einer der Sänger zu launiger Musik und müht sich an einer Fichte ab, die den verschneiten Weg versperrt.

Was ist Arbeit? Ist sie sinnvoll? Und wie wird das Individuum entlohnt? Mit Humor und feiner Ironie bringt die Inszenierung eine Reflexion über die Arbeitszusammenhänge in einem neoliberalen, kapitalistischen System auf die Bühne – und ist dabei mindestens so schön anzusehen wie ein Weihnachtsmärchen."

Deutschlandfunk Kultur, 17.06.2023

„Jan Philipp Stange & Company bringen ein Problem der Freien Szene auf den Punkt: Ohne absurd bürokratisch ausgefüllten Antrag gibt es kein Geld. Gefragt sind die immer gleichen Ziele und Schlagworte, die berüchtigte Antragslyrik. Dass es um Inhalte vielleicht gar nicht mehr geht, zeigt dieses lustige, selbstreferenzielle Musical." (Über SZENARIO von Jan Philipp Stange & Company)

Deutschlandfunk, 21.11.2022, Musikjournal, 20:10 Uhr:

"Es gibt sie, die Traumbeziehungen der Musikgeschichte zwischen Komponist und Textdichter. Bei Mozart und Da Ponte etwa, oder bei Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. In Ariadne auf Naxos haben diese beiden das Spiel zum Spiel erhoben, indem sie in der Oper eine Oper stattfinden lassen. Libretto und Musik gehen eng verzahnt Hand in Hand. Und wie ist es um das moderne Textbuch bestellt? Beim Performance Musical Szenario in Frankfurt hat man eine neue Quelle als Libretto erschlossen: den Förderantrag. Ein vor allem in Deutschland besonders geschätztes Formular und ein unerlässliches Scharnier innerhalb unserer Bürokratie. Ursula Böhmer hat verfolgt, wie der Förderantrag zum Gegenstand der Kunst wird.

(Windgeräusche)

UB: Es herrscht Eiseskälte im Studio Naxos, zumal in der ehemaligen Industriehalle in Frankfurts Osten eine Schneelandschaft im Wald aufgehäuft wurde. Zwischen Schneehügeln steckt eine umgekippte Fichte fest. Vier Waldarbeiterinnen und -arbeiter versuchen nun, den Baum aus dem Schnee und damit sozusagen den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Ein passendes Bild für die freischaffende Kunstszene, die in sozialer Eiseskälte so manches Hindernis wegräumen muss, um ihre Projekte überhaupt zum Laufen zu bringen und stets auf Förderungen angewiesen ist.

(Ausschnitt aus Szenario)

UB: Der Förderantrag liefert dann auch das Libretto zum Performance Musical Szenario. Mit stoisch emotionslosem Gesichtsausdruck singen die vier Waldarbeiterinnen und -arbeiter die bürokratischen Floskeln der Antragsstellenden herunter. Vom Anschreiben über die Projektziele, den Kosten- und Finanzierungsplan bis hin zur finalen Datenschutzerklärung. Pianist und Arrangeur Jacob Bussmann hat all das in genüsslich eingängige Töne gekleidet. Mal bedient er das Broadway-Musical-Klischee, mal die Kurt-Weill-Schnauze (13:22), mal die Kirchenchoral-Empathie. Unterbrochen werden die Antragsfloskeln von persönlichen Interviewaussagen, die die Kunstschaffenden im Vorfeld von ihren Leidensgenossinnen und -genossen eingesammelt haben.

(Ausschnitt aus Szenario)

UB: Dominik Keggenhoff, Typ trauriger Tropf mit leicht gebeugter Haltung, besingt das Schicksal des freien Künstlers, der oft genug zu hören bekommt: „Beschwer dich nicht, du lebst in einer einzigartigen Theaterlandschaft, in dem dein Herumgemaule von der öffentlichen Hand finanziert wird.“

(Ausschnitt aus Szenario)

UB: Zwischen Heiterkeit, bitterer Ironie, eiskalter Nüchternheit und berechtigter Larmoyanz changiert der Abend, der klug und vortrefflich unterhält. Ideengeber ist der bereits mehrfach preisgekrönte Regisseur Jan Philipp Stange, Gründer und Co-Leiter des Studio Naxos in Frankfurt.

JPS: Die Gagen im freien Theater sind viel geringer als jetzt in den Schauspielhäusern und die Leute da arbeiten eigentlich fast alle relativ weitgehend unter Mindestlohn. Also im Moment gibt’s da ’ne Angleichung und es gab jetzt in den letzten zwei, drei Jahren während Corona tatsächlich viele Hilfsprogramme, die eigentlich erst offenbart haben, wie wenig Geld vorher auch gezahlt wurde und auch jetzt wieder gezahlt wird.

[...]

UB: Dass der Verdienst die eigentliche Arbeit nicht deckt, nehmen die freien Künstlerinnen und Künstler in Kauf. Das ändert aber nichts daran, dass noch viel Luft nach oben bleibt. Regisseur Jan Philipp Stange hätte daher eine dringende Botschaft an die Kulturpolitik in Berlin.

JPS: Claudia Roth soll bitte unbedingt die Bundesförderung aus der Corona-Pandemie verlängern und ausbauen. Zum Beispiel die Förderung des Fonds Darstellende Künste, die uns dieses Projekt ermöglicht hat, die wurde jetzt von- ich glaube in den Pandemiejahren hat der Fonds 164 Millionen bekommen und die wurde jetzt wieder auf das Vorkrisenniveau von 2019 auf 2 Millionen runtergestuft und das ist total bitter.

(Ausschnitt aus Szenario)

Ursula Böhmer über das Performance Musical Szenario in Frankfurt, wieder zu sehen am kommenden Freitag und am
Samstag."

Theater der Zeit, 29.06.2023

„Das Impulse Theater Festival 2023 ist sowohl ästhetisch als auch thematisch am Puls der Zeit. Es geht um aktuelle politische Krisen, Umbrüche und den Wunsch, etwas zu verändern (...). Es waren einmal vier desillusionierte Waldarbeiter:innen, die sich vor gar nicht allzu langer Zeit dem Theater verschrieben hatten. Der Traum von der Bühne treibt sie langsam, aber stetig in den finanziellen Ruin. Das Leben am Existenzminimum wird mit leidenschaftlicher Selbstausbeutung bezahlt. Ganz so, wie es die neoliberalen Strukturen des Kapitalismus von ihnen verlangen. Im Kapitalismus wird die Existenzangst in der zweieinhalbminütigen Mittagspause weggeatmet, während parallel noch kurz die Wäsche gewaschen, die Kinder versorgt und ein Förderantrag geschrieben wird. Alles kein Problem, oder?

Das Musical „Szenario“ widmet sich thematisch den bürokratischen Förderstrukturen in der freien Theaterszene und wirft gleichzeitig Fragen nach dem Verständnis und den Risiken von Arbeit im kapitalistischen Wirtschaftssystem auf. Jan Philipp Stange & Company finden sich auf einer verschneiten Straße wieder, die durch einen umgefallenen Baum blockiert wird. In gefühlvoller Selbstironie singen vier Performer:innen den Antrag für ihr Projekt „Szenario“. Es geht um Projektziele, Kostenplänen und die gesellschaftliche Relevanz des Vorhabens. Etwas, das selten mit der Utopie künstlerischer Arbeit in Verbindung gebracht wird und doch maßgeblich den Arbeitsalltag von Freiberufler:innen prägt. Um eine Bewilligung für den eigenen Projektantrag zu erhalten, werden die Performer:innen in „Szenario“ zu Waldarbeiter:innen. Da wird mit vereinten Kräften Schnee geschippt und der Baum von der Straße gehievt. Wie weit kann man sich von der eigenen Arbeit entfremden?

„Ich weiß es nicht, stellen heute noch Menschen Schrauben her? “

Die Frage nach den Arbeitsbedingungen in der freien Szene habe sich als ein wesentlicher thematischer Schwerpunkt des diesjährigen Impulse Theater Festivals herauskristallisiert, so der Kurator des Festivals Haiko Pfost. Die Kunst habe eine Art Modellcharakter, wenn es um Fragen nach Arbeitsstrukturen gehe, da sich gerade die freie Theaterszene schon lange mit den Bedingungen von Arbeit beschäftigen müsse. "Szenario” sei für dieses Thema die passende Produktion. "

(Yaël Koutouan)

KulturWest vom 31.5.23

"Die Neigung zur Nabelschau wird der Freien Szene immer mal wieder vorgeworfen. Wie humorvoll und unterhaltsam das aber auch sein kann, zeigen Jan Philipp Stange & Company in »Szenario«. Vier Waldarbeiter*innen singen da den Text eines Förderantrags, im üppigen Bühnenbild zwischen Kunstschneeflocken. Selbstkritisch und ironisch stellen sie sich ihren persönlichen Kämpfen mit Arbeit, Armut und Selbstverwirklichung."

(Sarah Heppekausen)

FAZ vom 25.11.22: "Ich sing dir was vor."

"Antragslyrik: Jan Philipp Stange zeigt im Studio der Frankfurter Naxoshalle, wie es ist, in Deutschland einen Antrag auf Kulturförderung auszufüllen. „Szenario“ ist Werk und Kommentar zugleich.

In [dem Antrag] gilt es zunächst, detailliert das geplante Projekt vorzustellen, seinen Inhalt und die Ziele zu skizzieren. Dann müssen präzise die angedachten „Aktivitäten zur Zielerreichung“ aufgeführt und ein bis auf die Kommastellen kalkulierter „Kosten- und Finanzierungsplan“ eingereicht werden. Der wichtigste Punkt aber ist die „angestrebte öffentliche Wirkung“. Hier gilt es, zumindest plausibel erscheinen zu lassen, dass das Theaterstück, die Performance oder das Schreibprojekt eine gewisse gesellschaftliche Relevanz besitzt. Im Antrag machen sich deshalb Worte wie „Kapitalismuskritik“, „Neoliberalismus“, „Ausbeutung“ und „Entfremdung“ ganz gut.

All dies erfährt man in knapp neunzig Minuten in „Szenario“ von Jan Philipp Stange im Studio Naxos. In der als „Performance Musical“ getarnten Selbstreflexion singen Ana Berkenhoff, Daniel Degeest, Alina Huppertz und Dominik Keggenhoff den Antragstext für genau diese Produktion als Libretto. Begleitet von Jacob Bussmann (Klavier), Jakob Boyny (Cello) und Špela Mastnak (Percussion und Vibrafon) singen sie mal allein, mal fast wie ein Chor im griechischen Theater, was genau mit diesem Stück bezweckt werden und welche Assoziationen die winterliche Bühnenlandschaft (Bühnenbild Jakob Engel) auslösen soll. [...]

Neben dem Antragstext sind es vor allem die höchst authentisch mit vielen „ähs“ und „weiß auch nicht, irgendwie“ gesungenen autobiographischen Passagen, die jenseits des Ulks etwas über die äußerst prekäre Situation von Künstlern, vor allem freischaffenden, erzählen. Hier offenbart sich, worum es eigentlich geht. Beutet sich der Künstler, der hier selbstredend immer korrekt mit Glottisschlag „Schauspieler:in“ genannt wird, permanent selbst aus und betrügt sich selbst durch seinen Glauben an eine nur scheinbar nicht entfremdete Arbeit?

[...| Das Stück ist wie ein Bild von M. C. Escher. Entstehung und Performance, Erzeugung und Kommentierung fallen in eins. Doch der zunächst verblüffende, ja begeisternde Grundeinfall wird auf Dauer ein wenig eintönig."

(Matthias Bischoff)

Interview mit einer zufälligen Person aus dem Publikum ->

Leipziger Volkszeitung vom 22.3.2023: "Romeo, Giffey und die Musical-Hits von gestern."

"Die familientaugliche Aufbereitung eines Klassikers kann sogar aus kunstfernen Texten etwas zaubern. So kommt beim Impulse Theater Festival in NRW im Sommer das Musical „Szenario“ auf die Bühne. Dafür haben Jan Philipp Stange & Company einen Förderantrag vertont und kündigen an: „Vier Waldarbeiter*innen singen in verschneiter Landschaft über ,Aktivitäten zur Zielerreichung’, den ,Kosten- und Finanzierungsplan’ und ihre persönlichen Kämpfe mit Arbeit, Armut und Selbstverwirklichung“. Ja, Künstler können ein Lied davon singen."
(Janina Fleischer)

Szenario, 2022-23, Performance Musical

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Zwischen Heiterkeit, bitterer Ironie, eiskalter Nüchternheit und berechtigter Larmoyanz changiert der Abend, der klug und vortrefflich unterhält"

(Deutschlandfunk)

"Nur Arbeit und kein Spiel macht dumm" (Karl Marx).

Das wichtigste Genre der zeitgenössischen Kunst ist der Förderantrag. Um ihre Arbeiten zu finanzieren, werben Kunstschaffende Gelder bei Förderinstitutionen ein. Üblicherweise wird eine breite Mehrheit der Anträge abgelehnt. Daraus ergeben sich viele Unsicherheiten, Fleißaufgaben und zugleich eine folgenreiche Verschiebung: Künstlerinnen sind vor allem versierte Antragstexterinnen. In “Szenario” wird der Förderantrag der Produktion selbst zum Libretto. Vier Gestalten singen in verschneiter Landschaft den Antrag samt Kostenplänen, Zielsetzungen und vieler guter Argumente für die gesellschaftliche Relevanz des Vorhabens. Und besingen so auch die unauflösbaren Widersprüche künstlerischer Arbeit zwischen Utopie, Entfremdung und Vergeblichkeit. “Szenario” ist ein heiteres, selbstreferentielles Panorama künstlerischen Schaffens, das mit subversivem Flair auch einen Blick auf die Arbeit insgesamt wirft.

Tickets 26.-28.5.23 in Frankfurt ->
Tickets 15.-17.6.23 beim Impulse Festival ->

Mit Ana Berkenhoff, Daniel Degeest, Alina Huppertz, Dominik Keggenhoff sowie Jakob Boyny (Cello), Jacob Bussmann (Klavier) und Špela Mastnak (Vibraphon & Schlagwerk).

Regie: Jan Philipp Stange. Musik: Jacob Bussmann. Bühne: Jakob Engel. Kostüm: Maylin Habig. Produktion: Alessia Neumann. Dramaturgie: Philipp Scholtysik. Organisatorische Mitarbeit Regie: Paula Noack. Mitarbeit Bühne: Kathrin Frech. Öffentlichkeitsarbeit: Michel Nölle, Annika Schmidt. Fotos: Christian Schuller. Video: Charlotte Bösling, Lizzy Geble.

Eine Produktion von Stange Produktionen. In Kooperation mit dem Produktionshaus Naxos, mit freundlicher Unterstützung des Kulturamts der Stadt Frankfurt, des Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Kulturfonds Rhein-Main, der Claussen-Simon-Stiftung, des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst u.a. Stange Produktionen wird vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main institutionell sowie vom Fonds Darstellende Künste mehrjährig gefördert.

Premiere am 18.11.2022 im Produktionshaus NAXOS in Frankfurt am Main, Aufführungen am 19./25./26.11.22 Weitere Aufführungen am 26./27./28.5.23 in Frankfurt sowie vom 15.-17.6.23 beim Impulse Festival. Bei Nachtkritik Plus verfügbar als Stream vom 12.-14.6.23.

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